StrongmanRun 2015 – der Bähr und das Krokodil

StrongmanRun 2015 – der Bähr und das Krokodil

die alternative Überschrift wäre: Übermenschen mit Tiernamen…

Der StrongmanRun 2015 war wieder einfach mal nur krass. Einfach. Mal. Nur. Krass.
Dabei waren es weder die Stimmung, noch die Hindernisse, noch die Location, die (wenn auch geil) äußerst überragend waren.
Es war das Erlebte, die Vorgeschichte, das Unmögliche, aber dennoch möglich Werdende.

Meine Vorgeschichte zum Strongmanrun 2015

Es gibt ein paar Dinge, die man wissen muss, warum ich der diesjährige StrongmanRun in Ferropolis locker in die Top 3 meiner härtesten Wettkämpfe kommt.
Beim Training fängt alles an: Auch wenn ich zur Zeit gefühlt top fit bin (danke alpin-angehauchtes Triathlontraining), bin ich im Training nie weiter als 10km gelaufen. Das bedeutet beim StrongmanRun erwartete mich weit mehr als eine spontane Laufdistanzverdopplung (danke deusche Sprache für diese Einwortpräzision).
Soweit so gut. Keine Top Vorbereitung für 24km Hindernislauf, aber genug für „da kommen wir schon durch“.
Wir, das sind der immer fitter werdende Oli und ich.

Soviel zur Vorvorgeschichte. Die eigentliche Vorgeschichte beginnt nämlich etwas mehr als 24 Stunden und knapp 700km weit weg vom Lauf. In Ravensburg. Sie beginnt bei meiner Fahrt nach Berlin, die aus diversen Gründen diesmal sehr anstrengend war (Gruß an meine Mitfahrer) und außerdem auch noch unnötig lange (Gruß an alle Phantomstauverursacher). Auf die achtstündige Autofahrt folgte eine kurze unruhige Nacht in der Stadt die niemals schläft (Gruß an mein geliebtes Berlin) gefolgt von akuter Morgenmuffeleritis. Passiert, alles noch im gelben Bereich. Dass der komplette Samstag allerdings spontan mit 4stündigem (freiwiligen) Rettungsschwimmereinsatz und kompletter Pausenlosigkeit folgte, war weder geplant, noch gehofft.
Das Ergebnis: Schon auf der Hinfahrt nach Ferropolis um 18:30h, also 3 1/2 Stunden vor eigentlichem Beginn, war ich nur am Gähnen und Lamentieren. Außer Frühstück und zwei Stück Kuchen nichts gegessen zu haben, machte die ganze Sache nicht leichter.

Zu meiner Erleichterung hatte ich den Glücksbähr dabei. Der Oli. Alter Laufveteran seit 2012 und neuerdings deutlich bewanderter im Bereich Mittelstrecken. Da fiel bei der Hinfahrt schon öfter mal der Satz „du Oli, da musst du mich heute echt durchziehen“. Das hat er. Dazu später mehr.
Von Glückbährchens Freundin mit lecker Bananenbrot mitversorgt (Gruß an Marie, danke, sehr, sehr lecker!) kamen wir dann auch mehr als pünktlich an.

StrongmanRun 2015

strongmanrun ferropolis

Eines muss man den Dudes von Fisherman’s Friend lassen: Organisation, das können die echt nicht so. Angefangen beim Parkplatz, wo wir 3 EUR für ein Parkticket lassen mussten, weil unser Ticket noch bei den nicht abgeholten Startunterlagen war, bis zum hin zum minimal optimal organisierten Shuttlebuss: Mal ehrlich, wenn da 100 Leute warten und mit sehnsüchtig-neidischem Blick auf den VIP-Shuttlebus starren, dann werden nicht 100 Leute nächstes Jahr VIP Tickets buchen, sondern sich 10 Leute aus Frust nächstes Jahr nicht mehr anmelden.
Aber immerhin gab es überhaupt einen Shuttlebus.

Das Abholen der Startnummern ging dann auch recht fix und die Gepäckabgabe haben sie in den letzten drei Jahren immerhin auch personalisiert, sodass wirklich nur ich meinen Beutel abholen konnte und nicht jeder x-beliebige.
Witzig beim traditionellen Vordemlauftoilettenbesuch war dann auch der erfüllte Angstschrei aus Kabine 1 „Papier ist alle, kann jemand helfen?!“. Hier wurde im tiefsten Dreck (oder wie könnte man ein Klo nach knapp 1.000 Gästen in 60min beschreiben?) durch Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit Verbundenheit geschmiedet. Oder Zitat Oli: „ich will gar nicht wissen, was ihr da drinnen gemacht habt“.

Der Start.
Gähnend am Bauzaun lehnend hatten wir noch knapp 30min bis zum Start. Der Ansager sagte an, der Entertainer entertainte und die Zuschauen sahen vermutlich fast nichts, war ja dunkel.
Dann geht es los. 10…9…8…7…6…5…4…3…2…1…LOS.
Dieses „los“ ist so ein Moment, das kann man wie ich finde, nur nachvollziehen, wenn man selber Teilnehmer so einer Veranstaltung einmal war. Mit so einem Los dreht der Körper plötzlich alle Adrenalinkanäle auf, setzt ein gesprochenes Wort in gelebte Energie um. Das ist wie, wenn man eine Sylvesterrakete anzündet und nach den ersten paar lausigen Funken plötzlich das fetzige „fschhhh“ kommt und das Ding in den Himmel steigt.
So war es auch tatsächlich. Wenn man schon in der Nacht läuft, kann man das ganze auch mit einem Feuerwerk starten. Oder? Stimmung machen, das muss den Fisherman’s Friend Leuten lassen, das können die. Also loslaufen mit Gänsehautfeeling und dem wahrscheinlich legendärsten Start, den ich bisher hatte.

strongmanrun start

 

strongmanrun feuerwerk

Was dann passierte, ist nicht zu glauben! (Gruß an heftig.co und Konsorten).

Nach gefühlten 2-3 Kilometern hatte ich keine Lust mehr. Absolut keine Lust. Das dämliche Krokodilskostüm erwies sich wieder mal als lustige, aber Schnappsidee. Aerodynamisch ein Flopp, Atmungsaktiv wie ein Stein, war ich also nach knapp 15 – 20min komplett durchgeschwitzt und demotiviert. Zu diesem Zeitpunkt schien das Ende der 24km noch ganz weit weg. Dann kamen die ersten Hindernisse. Ein durchgepflügter Acker. Okay haut mich nicht vom Hocker, aber ich habe als Wahlschwabe auch das Privileg nachts im Wald zu joggen. Da bekommt man Balance, Koordination und Vorsicht einfach antrainiert. Dann kam noch ziemlich viel Kletter- und Krabbelei, ehrlich gesagt ein wenig repetitiv, aber okay. Dieses Jahr haben auch die Elektroschocker funktioniert, wie ich leider feststellen musste. Witzig war hier, dass alle den britzelnden Kabeln (krabbelnd) ausweichen mussten, nur um dann festzustellen, dass der Boden komplett mit Disteln überwuchert ist. Ganzkörperkostüm vs Rest – 1: 0.

Strongmänner und Strongfrauen sind bestimmt ein pflegeleichtes Publikum. Über zusätzliche Schmerzen und Herausforderungen wird sich laut johlend gefreut. Das Ächzen und die Schmerzensschreie sind immer wohlwollend, in dem Wissen, dass man genau deshalb hier ist.

Irgendwann kam dann auch das erste richtige Matschhindernis. Hier zeigte sich die wahre Katastrophe meines Kostüms. Nass? Okay. Sand? Okay. Matsch? SUPERGAU. Wie Krokodile im Sumpf leben können, ist mir ein Rätsel. Die zusätzlichen 3 Kilo pro Bein haben meine Laune und Hoffnung dann auf den absoluten Nullpunkt geballert. An dieser Stelle muss ich den Bähr in hohen Ehren halten. Ohne Murren und Klagen hat er mein endloses Murren und Klagen ertragen. Danke.

Nach dem Matsch kam eine ganze Weile gar nichts. Long and lonesome Road würde der Cowboy verträumt sagen. Stimmt auch. Über uns nur der Sternhimmel, vor uns neblige Täler..das war schon eindrücklich und so ziemlich einmalig.

Plötzlich nähern wir uns wieder dem Startbereich. Da wir gerade mal geschätze 45min unterwegs sind, sinkt meine Stimmung vom absolten Nullpunkt auf -1, denn das kann ja nur bedeuten, dass wir 1/4 geschafft hatten, da man ja bestimmt viermal am Start vorbeikommt. Hätte ich nur gewusst wie falsch ich lag…..

Das nächste „Hindernis“ war ein Schaumbad, gefolgt von kniehohem Wasser, gefolgt von einer Wasserrutsche. Einmal abgekühlt und entschlammt, stieg meine Laune auf vorsichtige +1 als wir in den Startbereich einlaufen.

strongmanrun schaumbad

Hier passierte das Wunder.

Zur Auswahl standen: Runde 2 und Ziel

Häh? Runde 2?
Meister Petz checkt die Zeit: „Alter. Wir sind gerade mal ’ne Stunde unterwegs. Und haben die erste Runde schon durch!“

WAAAAAAAAAAS?
BITTE. WAAAAAAAASSSS?

Zur Wiederholung: Die letzten 24 Stunden waren mega anstrengend. Ich bin übermüdet unterfuttert. Ich trage ein Krokodilskostüm, welches die letzten (anscheinend) 6 Kilometer mit Schlamm beschwert wurde. Und in diesem Zustand laufe ich 12km, also meine längste Distanz in den vergangenen 8 Monaten in einem Tempo, welches ich sonst nur in TOP vorbereitetenden Wettkämpfe laufe. Say WHOOOOT?

Dieser Moment. So muss es sich angefühlt haben, als Neil Armstrong den ersten Schritt auf den Mond gesetzt hat. Oder als Cäsar ganz Gallien eroberte (ganz Gallien…nein..ein kleines Dorf…). BOM-BAS-TISCH.

Es ward also zur 23. Stunde des Tages, als mir alle Müdigkeit und schlechte Laune verflog. Das war kein Runners high, das war feinstes Adrenalin Doping. Stimmung auf 200%.
Die Stimmung hat mich dann auch durch die komplette zweite Runde getragen. Über jeden Stein und durch jedes Schlammloch.

Während des Laufens – ich bin ja Zahlenmensch – immer durchgerechnet…selbst wenn wir die zweite in super entspannten 1:30 Stunden laufen, sind wir immer noch über eine Stunde schneller als 2012. SAY WHOOOT. Eine Gesamtzeit von 2:30h…mein unerhoffter Traum. Das war von Beginn an einfach so unrealistisch. Und ist trotzdem in greifbare Nähe gerückt. UN-GLAUBLICH.

strongmanrun rutschen hindernis

Die zweite Runde lieft der Stimmung entsprechend anfangs ziemlich gut. Wir taten, was Bähren und Krokodile so tun: Leute überholen, Wasser trinken und Orangen essen. Über Kletternetze klettern und unter Krabbelnetzen hindurchkrabbeln.

Kurz vor dem Ziel, sagt der Bähr plötzlich: „Alter. Bei dem Tempo kommen wir in 2:15 rein.“

WAAAAAAS?

Ohne Witz man. Ich habe noch nie. Noch. Nie. Einen Wettkampf gehabt, der mich so komplett überrascht und geflasht hat.

2:15 was ’ne Zeit. Was ein Ansporn. Endspurt. Die letzten 150 Meter. Wasserbecken, Wasserrutsche. Vor uns „die Roten“, die die ganze Zeit einfach fix waren. Wir überholen die Roten, laufen in die Zielgerade ein, der Moderator kreischt wie ein Mädchen. Halt stop, ich kreische wie ein Mädchen. Die große Uhr zeigt 1;55:43 an. Meine Welt der Selbsteinschätzung bricht zusammen. Heiser, erschöpft, ausgelaugt und komplett k.o.stolpern wir ins Ziel.

Resultat
Trotz energetischem Tiefpunkt, hat der Bähr das Krokodil in unglaublichen 1:55 über eine Strecke von 24km geprügelt. Selbst ohne Hindernisse, ohne Schlamm, ohne 22 Uhr Start, ist das immernoch eine Halbmarathonzeit von unter 1:40, eine berstige Pace von 4:47min pro Kilometer. Der absolute Oberhammer mega Wahnsinn.

An diesem Tag wurden Grenzen gesprengt, wie ich es nie für möglich gehalten. Danke Oli (Gruß an den Bähr).

krokodil und bähr

//Nachtrag. Erste inoffizielle Messungen ergaben, dass die Strecke vermutlich nur 18km lang war. Das schmälert die übermenschlich überragende Zeit natürlich etwas. Übrig bleibt trotzdem eine überragende Zeit. I like.

David Binninger

David Binninger, Wahlschwabe, Sportler aus Leidenschaft.

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